Die Qualitäten der kleinformatigen Gemälde von Markus Saile entwickeln sich zwischen den einzelnen aufgetragenen Farbschichten. Feinmodellierte Flächen und Zonen grenzen aneinander, aus gedämpften Farbnuancen, verwischt. Farbschlieren setzen sich sanft von der nahezu monochromen Farbfläche ab. Dabei fangen die abstrakten Formen oder Andeutungen Erinnerungen von Landschaften, Räumen, Flecken oder Organischem ein.
Markus Saile gibt dem Betrachter keine Hinweise auf das Sujet der einzelnen Gemälde. Bei ohne Titel (S . 64 ) erscheint die Fläche beinahe fleischfarben. In der Mischung von Braun- und Rottönen, die ins Violett kippen, sind Verlaufsspuren zu erkennen und verorten diese auf der Bildoberfläche. Dahinter, tief im Bildraum sind grüne und intensiv violette Pinselspuren zu erkennen, die aber fast zu verblassen scheinen. Sie konzentrieren sich am lin ken oberen und rechten Bildrand und bilden so eine kompositionelle Diagonale. Durch die Staffelung von lebendiger Oberfläche und angedeuteter Komposition bekommt das Bild eine imaginäre Raumtiefe. Verstärkt wird der Eindruck durch die Ränder des Malgrundes. Das Gemälde befindet sich nicht als Fläche vor der Wand, sondern Nasen, Kanten und Wulste der Grundierung erweitern die Bildfläche in den Raum. Sie verstärken den Objektcharakter jedes einzelnen Werkes.
Zunächst haben die Gemälde von Markus Saile taktile Referenzen, sie sind nicht nur Träger eines Bildes, sondern vielmehr bearbeiteter Gegenstand. Die Holzkonstruktion ist mit Kreidegrund überzogen, eine Grundierung, die Farben besonders leuchtend trägt, aber auch saugend ist – als Technik kunsthistorisch weit zurückreichend. Die stark verdünnte Ölfarbe verschmilzt mit der Oberfläche, zieht in sie ein. Jeder Malschicht folgen Auswaschungen, Überlagerungen, Schicht um Schicht auf- und abgetragene Farben. Die gebrochenen Farben und Inkarnate, von Grüntonen, über Braun und Gelb, Violett- bis zu Rotschattierungen, nehmen in sich historische Prägungen und Bezüge auf. Die Farbe wird zum Träger von Kunstgeschichte.
Der gegenständliche Bildträger wirkt beinahe leergefegt, immateriell. Mal ist die Farbe in angedeuteten Formen und Pinselstrichen als Material sichtbar, in anderen Bereichen der Bilder wirkt sie entmaterialisiert, luzid oder transparent. Der Betrachter kann in die atmosphärische Qualität des speziellen Farbauftrages eintauchen, sich treiben lassen, seinen Assoziationen nachhängen oder Erinnerungen in die Farben fließen lassen.
Durch die Farbigkeit und die eingeschriebene Zeitlichkeitstellen die Arbeiten einen Bezug zum Raum her. Ganz dezidiert korreliert die Farbigkeit mit der historischen Bemalung des Bahnhofs1 . Die Grotesken an der Decke des ehemaligen Wartesaals mit ihrer Patina, den Spuren der Zeit, den Rissen und restauratorischen Markierungen und Bearbeitungen finden sich transformiert in den Bildoberflächen wieder.
Präsentiert werden die Malereien von Markus Saile auf einem Paravent, den der Künstler für diese Präsentation entworfen hat. Er ist dabei nicht nur Möblierung des Raumes, mit dem Hinweis auf privaten Rückzug, sondern bildet mit den darauf zur Schau gestellten Bildträgern ein räumliches Gefüge. Der Paravent dient dabei als räumliches Layout, das die Werke von Markus Saile noch weiter im Raum verspannt.
1 In Trier zeigt sich die Zeitlichkeit der Malereien von Markus Saile in der Referenz auf die Sedimentschichten der römischen Ruinen.